«Countryside» Jürg Vollmer

«Countryside» Jürg Vollmer

Der «Baummord» an 11 Millionen Obstbäumen veränderte die Schweizer Landschaft nach 1950

11 Millionen Obstbäume wurden in der Schweiz nach 1950 generalstabsmässig brutal gefällt. Grund für diesen «Baummord»: die Alkohol-Prävention – viele Schweizer soffen sich damals um Kopf und Kragen.

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Jürg Vollmer
Sept. 05, 2025
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Koloriertes Foto aus den 1960er-Jahren: Ein Obstbaum-Kommando von Walter Luginbühl Senior posiert mit grossen Kettensägen vor frisch gefällten Bäumen. Vier Männer in Arbeitskleidung, karierten Hemden und mit Pfeifen im Mund stehen selbstbewusst nebeneinander. Die Szene dokumentiert die Zeit des „Baummords“ in der Schweiz, als Millionen Hochstamm-Obstbäume gefällt wurden.
Von 1950 bis 1975 waren die Baumfäller jeweils von November bis Ende Februar im Einsatz. Ein einziges Kommando fällte «150 Bäume pro Tag, sechs Tage die Woche und das vier Monate lang, ergibt 15’000 Bäume in einem Winter.» (Foto: Privatbesitz Walter Luginbühl Junior)

Kurz & bündig

  • In der Schweiz wurden von 1950 bis 1975 über 11 Millionen Hochstamm-Obstbäume gefällt– ein staatlich organisierter «Baummord».

  • Drei Männer – Obstbau-Papst, Stratege und General – dirigierten die Fällaktionen im Auftrag der Alkoholprävention. Ihre Baumfäll-Kommandos gingen aber oft sturzbetrunken an die Arbeit.

  • Motorsägen, Feuer und Sprengungen verwandelten blühende Streuobst-Landschaften in Kraterfelder – mit Folgen für Natur, Sortenvielfalt und Bauernfamilien.

Im September beginnt traditionell die Obsternte. In der Schweiz zeigt sich dabei ein grosser Unterschied zu früher: 1951 standen zwischen Bodensee und Genfersee 16,8 Millionen Hochstamm-Obstbäume – heute sind es nur noch 2 Millionen.

Die Hochstamm-Obstbäume, in Deutschland und Österreich Streuobst-Bäume genannt, sind fast vollständig aus der Schweizer Landschaft verschwunden.

Was ist da passiert? Die Gründe dafür sind nicht Krankheiten oder Klimaerwärmung, sondern die Eidgenössische Alkoholverwaltung und drei Männer, deren Übernamen Bände sprechen: Obstbau-Papst, Obstbau-Stratege und Obstbau-General.

Die Geschichte von diesen drei Männern und ihrem Feldzug gegen die Hochstamm-Obstbäume hat mir der Politikwissenschaftler Franco Ruault erzählt, der jahrelang zum «Baummord» geforscht hat.

Kolorierte Luftaufnahme der Ortschaft Oberhofen bei Kreuzlingen aus dem Jahr 1938. Im Vordergrund das kleine Dorf mit Kirche und dicht stehenden Häusern, umgeben von Feldern, Obstbaumwiesen und verstreuten Gehöften. Die Landschaft ist von Hochstamm-Obstbäumen geprägt, die regelmässig zwischen den Äckern und Wiesen stehen, und vermittelt ein typisches Bild der traditionellen Kulturlandschaft im Thurgau.
Die Schweizer Landschaft war bis in die 1950er-Jahre von 16,8 Millionen Hochstamm-Obstbäumen geprägt. Auf dem Bild die Ortschaft Oberhofen am Bodensee im Jahre 1938. (Foto: Staatsarchiv des Kantons Thurgau, von Jürg Vollmer koloriert)

Von 1950 bis 1975 wurden über 11 Millionen Obstbäume gefällt

Von 1950 bis 1975 wurden in der ganzen Schweiz über 11 Millionen Obstbäume gefällt oder gesprengt. Damit verschwanden nicht nur die Bäume selbst, sondern auch alte Obstsorten und wertvolle Lebensräume für Vögel und Insekten.

Und das geschah im Auftrag des Staates, der Eidgenössischen Alkoholverwaltung (2018 in das heutige Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit integriert).

Denn das arme Landvolk und die proletarischen Arbeiter soffen sich damals um Kopf und Kragen, was ihre sozialen Probleme nur vergrösserte und dazu auch noch gesundheitliche Probleme schuf.

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