Coop lanciert mit «Bio 365» eine neue Bio-Billig-Linie mit Import-Lebensmitteln
Als ob es nicht schon genug Bio-Label geben würde, lancierte Coop im Februar 2024 still und heimlich die Eigenmarke «Bio 365» mit Bio-Billig-Importen. Ein scharfer Blick hinter die Verkaufsregale.
In Coop-Supermärkten in der Romandie sind Mitte Februar 2024 die ersten «Bio 365»-Produkte aufgetaucht: Kaffee-Kapseln der Fair-Trade-Marke Max Havelaar, die in Frankreich nach der EU-Öko-Verordnung verarbeitet und von einer französischen Zertifizierungsstelle geprüft wurden. Praktisch gleichzeitig tauchten die «Bio 365»-Kaffeekapseln im Online-Shop von Coop auf.

Mit Importen der «Bio 365»-Linie wird Coop die Schweizer Bio-Produzenten unterbieten
Für die KonsumentInnen wird der Kaffee damit massiv billiger, mit jeder Kapsel des «Bio 365»-Kaffees sparen sie 10 Rappen oder 29 Prozent:
25 Rappen pro Kapsel Max Havelaar Lungo «Bio 365»
35 Rappen pro Kapsel La Mocca Caffé (Bio Suisse) Lungo Crema
Ein durchschnittlicher Kaffeetrinker mit plus/minus drei Kaffees pro Tag spart damit pro Monat 10 Franken. Bei meinem eher exzessiven Kaffeekonsum wären es sogar 20 bis 30 Franken (ich mahle aber meinen Bio-Kaffee selbst für die Siebträger-Maschine).
Coop dürfte seine billige Bio-Linie «Bio 365» mit Import-Lebensmitteln ganz bewusst mit Kaffee lanciert haben. Ob der Bio-Kaffee jetzt in der Schweiz oder in Frankreich geröstet und gekapselt wird, kann den Schweizer KonsumentInnen und LandwirtInnen ziemlich egal sein.
Ausländisches Bio hat oft laschere Regeln und weniger konsequente Kontrollen
Coop-Sprecher Kevin Blättler erklärte dem «Bioaktuell»-Magazin von Bio Suisse und FiBL, dass die «Bio 365»-Linie «zuerst nur verarbeitete Produkte der Grundnahrung wie Bio-Kaffee, passierte Bio-Tomaten, Bio-Konfitüren, Bio-Trockenfrüchte und Bio-Nüsse» umfasse.
Nach den verarbeiteten Produkten sollen «bei ausreichender Nachfrage dann auch Bio-Frischprodukte folgen, selbst von importierten Bio-Eiern wird gemunkelt» schreibt Hansuli Huber (ehemaliger Geschäftsführer des Schweizer Tierschutzes STS) in einem Leserbrief in der «BauernZeitung».
Bei Milchprodukten, Obst und Gemüse, Getreide und Getreideprodukten sowie Fleisch und Eiern ist es aber nicht mehr egal, ob diese Lebensmittel mit der Knospe als Bio Suisse-Gütesiegel oder nach der EU-Öko-Verordnung verarbeitet und zertifiziert wurden.
Und schon wirft Coop die ersten «Bio 365»-Eier auf den Markt – 33 Prozent billiger als Bio Suisse-Eier
«Die KonsumentInnen müssen sich bewusst sein, dass hinter ausländischen Öko-Verordnungen ein häufig lascheres Regelwerk und weniger konsequente Kontrollen stehen», schreibt Hansuli Huber. Als Beispiel nennt er die Bio-Eier:
Bei Bio Suisse sind maximal 4’000 Legehennen pro Bio-Betrieb zulässig
Im Ausland dürfen Bio-Betriebe bis 20’000 Hühner halten
Die «SonntagsZeitung» hat Mitte April 2024 in Coop-Filialen im Kanton Zürich die ersten «Bio 365» Eier entdeckt – 33 Prozent billiger als Bio Suisse-Eier.
Unter dem Titel «Zuerst Kaffee und jetzt sogar Eier – Coop lanciert neue Billig-Biolinie» zitiert die «SonntagsZeitung» Bio Suisse-Präsident Urs Brändli: Wenn Coop vermehrt auf EU-Bio setze, führe das dazu, «dass sich mehr Menschen Bio leisten können – und daneben auch vermehrt zu Schweizer Bio greifen werden.»

Gemäss «SonntagsZeitung» vermutet Brändli, dass die Bio-Preisvergleiche des Preisüberwachers, von Konsumentenzeitschriften und seit Sommer 2023 auch vom Verein Faire Märkte Schweiz FMS den grössten Schweizer Detailhändler unter Druck gesetzt haben:
«Jetzt kontrolliert Preisüberwacher die Bio-Margen von Coop und Migros» («Schweizer Bauer»)
«Preisvergleich: Bio-Lebensmittel sind bei Coop am teuersten» («Saldo»)
«Missbrauchen Migros und Coop bei Bio ihre Marktmacht?» («20 Minuten» über den Preismonitor von Faire Märkte Schweiz)
Coop wird in all diesen Berichten als teuerster Bio-Anbieter kritisiert.
Coop und Bio Suisse haben seit 1993 Bio-Erfolgsgeschichte geschrieben
Dabei hatte alles so gut angefangen und über 30 Jahre auch gut funktioniert: Die enge Zusammenarbeit mit Bio Suisse ist Teil der Erfolgsgeschichte von Coop Naturaplan – und umgekehrt. Schon zwei Jahre nach der Gründung von Bio Suisse 1981 lancierte Coop 1993 in Zusammenarbeit mit Bio Suisse die Bio-Eigenmarke Naturaplan.
Coop und Bio Suisse hegen und pflegen eine enge Partnerschaft. So eng, dass die Migros erst seit dem 11. Mai 2022 das Knospe-Gütesiegel verwenden darf – und den Discountern Aldi und Lidl das Knospe-Label mit fadenscheinigen Gründen wohl bis zum jüngsten Tag verweigert wird.
In 30 Jahren hat Coop das grösste Bio-Sortiment des Schweizer Detailhandels aufgebaut. 4000 Bio-Lebensmittel im Coop tragen das Knospe-Gütesiegel von Bio Suisse.
Nach 30 Jahren Zusammenarbeit bremst Coop die Bio Suisse unschön aus
Und nun bremst Coop seine Partnerin Bio Suisse mit einem neuen Bio-Lebensmittelsegment mit billigen Importprodukten unschön aus.
Coop betont zwar, dass nur wenige ausgewählte Produkte mit dem EU-Biolabel in den Regalen stehen sollen: «Wir setzen auch in Zukunft stark auf die Knospe von Bio Suisse sowie Produkte der Schweizer Landwirtschaft», erklärte Kevin Blättler dem «Bioaktuell»-Magazin.
Und bei Bio Suisse betrachtet man die neue Entwicklung demonstrativ entspannt: «Die KonsumentInnen vertrauen der Marke Knospe und den Werten von Bio Suisse, für die sie steht», wird Bio Suisse-Präsident Urs Brändli zitiert.
Faire Märkte Schweiz: Mit «Bio 365» verletzt Coop das Fairness-Prinzip aufs Äusserste
Die Transparenz-Organisation Faire Märkte Schweiz FMS kritisiert Coop (und Migros) mit ihrem Preismonitor wegen deren zu tiefen Abnahmepreisen für die Bio-Landwirte und den gleichzeitig zu hohen Verkaufspreisen: «Die beiden Detailhändler erzielen bei Bio-Produkten im Vergleich zu konventionellen Landwirtschafts-Produkten eine doppelt so hohe Bruttomarge».
Wenn Coop nun mit «Bio 365» auf importierte Bio-Produkte ausweiche, um damit trotz günstigeren Abnahmepreisen im Ausland die Verkaufspreise zu senken, werde gemäss FMS «das Fairness-Prinzip mehrfach verletzt». Gegenüber den Produzenten im Ausland und in der Schweiz, aber auch gegenüber den KonsumentInnen.
Faire Märkte Schweiz lehnt deshalb die Einführung von «Bio 365» vehement ab. Diese zeige, «dass Coop den transparenten Wettbewerb unter Fairness-Kriterien immer wenig praktiziert und damit immer mehr volkswirtschaftlichen Schaden anrichtet.»
Mit «Bio 365» macht Coop auch den Schweizer Bio-LandwirtInnen Konkurrenz
Die Lancierung des Billig-Labels «Bio 365» vor allem aus EU-Staaten ist im Urteil von Hansuli Huber «ein schwerer Schlag für die einheimischen Bio-LandwirtInnen».
Wenn Coop seinen Plan einer Bio-Billig-Importlinie konsequent umsetze, werden die Schweizer Bio-LandwirtInnen und die Bio-KonsumentInnen wenig Anlass zur Freude haben: «Die Produzentenpreise von Bio Suisse werden unter Druck kommen und es dürfte schwierig sein, überhaupt noch die aktuellen Absatzmengen zu halten, geschweige denn zu steigern.»
Viel sinnvoller wäre es gemäss Huber, «den Bio-LandwirtInnen faire Preise zu zahlen und die eigenen Bio-Margen zum Wohl der KonsumentInnen auf das Niveau von Aldi und Lidl zu senken».
Bio 365 ist nicht nur «Bio 365» von Coop
Coop hat die neue Coop-Marke «Bio 365» im November 2023 im Schweizer Markenregister als Wortmarke eingetragen und vom Institut für geistiges Eigentum vorläufig für 10 Jahre unter Schutz stellen lassen.
Interessanterweise gibt es aber in Döttingen AG unter dem Namen Bio 365 schon einen Schweizer Fachhändler für Bio-Lebensmittel und vegane Naturkosmetik. Das könnte noch ein Nachspiel haben.