DOK-Versuch: Bio, Demeter und konventionelle Landwirtschaft im Langzeit-Test
Auf einem unscheinbaren Acker bei Basel wächst mit dem DOK-Versuch seit 47 Jahren ein grosses Experiment. Es vergleicht bio-dynamische (Demeter), biologische und konventionelle Landwirtschaft.

Kurz & bündig
Der DOK-Versuch im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Schweiz vergleicht seit 47 Jahren biologische, biodynamische (Demeter) und konventionelle Landwirtschaft.
Bio-Böden leben intensiver, speichern mehr Wasser und Nährstoffe – doch bei Kartoffeln und Weizen bleibt der Ertrag oft hinter den Erwartungen zurück.
Weniger Dünger, weniger Pflanzenschutzmittel, weniger Klimaschäden: Bio überzeugt ökologisch pro Hektar – doch pro Kilo Lebensmittel ist die konventionelle Landwirtschaft ebenbürtig.
Dies belegt eine Zusammenfassung zahlreicher Studien, welche das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL und das nationalen Schweizer Forschungsinstitut Agroscope publiziert hat.
Der grösste Schwachpunkt im Bio-System heisst Phosphor – und zwingt zur unromantischen Frage: Dürfen künftig auch hygienisierter Klärschlamm und Abwässer auf den Acker?
Die Luft über dem Weizenfeld flimmert hochsommerlich heiss. Jeder Atemzug schmeckt nach Staub, Stroh und Sonne. In drei Wochen ist der Winterweizen reif zur Ernte.
Ich streiche mit der Hand durch die Ähren. Ein trockener Duft steigt auf: körnig wie frisches Mehl, nussig wie ungesüsstes Müsli, mit einer feinen Bitterkeit in der Nase.
Ich stehe auf einem Versuchsfeld des weltweit einzigartigen DOK-Langzeitversuches, der im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Schweiz seit 1978 die biologische, biodynamische (Demeter) und konventionelle Landwirtschaft vergleicht.
Neben mir im Weizenfeld stehen Jochen Mayer und Hans-Martin Krause, die Co-Leiter des DOK-Versuches und Mit-Autoren von «Der DOK-Versuch – Vergleich von biologischen und konventionellen Anbausystemen über 45 Jahre» (Zusammenfassung von 140 wissenschaftlich begutachteten Fachpublikationen sowie zahlreichen Master- und Doktorarbeiten).

Was macht den DOK-Versuch vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL weltweit einzigartig?
Der DOK-Versuch vergleicht seit 47 Jahren systematisch drei Anbausysteme. DOK steht für:
🍀 Biologisch-dynamisch (D wie Demeter, beruht auf den esoterischen Ideen des Anthroposophen Rudolf Steiner)
🍀 Organisch-biologisch (O u.a. Bio Suisse, Bio Austria, Bioland, Naturland orientieren sich an ökologischen Prinzipien wie Fruchtfolge, Kompostwirtschaft und Verzicht auf chemisch-synthetische Mittel – ohne die spirituellen Elemente von Demeter)
🍀 Konventionell (K nach dem Schweizer ÖLN-Standard, also extensiv mit mineralischen Düngern und chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln, aber umweltbewusst im Sinne der Schweizer Agrarpolitik)
Der DOK-Versuch ist der älteste seiner Art weltweit und liefert Langzeitdaten mit hoher Aussagekraft für Bodenqualität, Erträge, Biodiversität, Klimawirkung und Nährstoffflüsse.
Das 1 Hektar grosse DOK-Versuchsfeld mit 96 Parzellen bei Basel ist damit ein internationaler Referenzpunkt für Systemvergleiche.
«Das Besondere daran ist, dass wir in einem Exaktversuch die Parzellen nebeneinander auf identischem Boden haben. Mit der gleichen siebenjährigen Fruchtfolge (zeitliche Abfolge der Nutzpflanzenarten), mit denselben Kulturen und exakt dokumentierten Bewirtschaftungs-Massnahmen», erklärt Hans-Martin Krause.
Hinter dem DOK-Versuch stehen:
das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL (mit Hans-Martin Krause als Co-Leiter)
Agroscope, das Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung (mit Jochen Mayer als Co-Leiter)
Was bedeutet gesunder Boden für die Qualität und Sicherheit unserer Lebensmittel?
In ihrem Dossier gehen Mayer und Krause dem DOK-Versuch im doppelten Sinne des Wortes auf den Grund. Sie zeigen, dass in den Böden der beiden biologischen Systeme (Bio und Demeter) eine höhere mikrobielle Aktivität herrscht.
«In biologischen Böden stecken mehr Regenwürmer und Pilze sowie 16 Prozent mehr Humus. Eine gesunde Bodenstruktur kann das Wasser besser speichern, reduziert Erosion und sorgt für stabile Erträge», erklärt Hans-Martin Krause.
«Ein gesundes Bodenleben beeinflusst zudem direkt die Nährstoffverfügbarkeit für Pflanzen. Das kann den Vitamingehalt, die sekundären Pflanzenstoffe und sogar die Lagerfähigkeit der Lebensmittel beeinflussen.»
Wenn das Bodenleben so wichtig ist, wieso wird kaum je über den Boden gesprochen? Krause zuckt ratlos mit den Schultern. «Vielleicht, weil der Boden für die meisten Menschen unsichtbar ist und selbstverständlich. Zudem entwickelt sich die Bodenqualität so langsam, dass wir Menschen sie nur schwer einschätzen können. Deswegen sind Langzeitdaten aus dem Feld so wichtig»
Doch der DOK-Versuch zeige, «wer gesunde Lebensmittel will, muss sich für lebendige Böden interessieren. Sie sind die stille Grundlage jeder Mahlzeit.»

Warum sind die Bio-Erträge tiefer – und was bedeutet das für unsere Versorgung und Geschmack?
Die beiden Bio-Systeme erreichen im DOK-Versuch 80 bis 85 Prozent der konventionellen Erträge. Wobei dieser Prozentsatz nur dank Stickstoff fixierenden Pflanzen wie Kleegras und Soja erreicht wird, also Futtermittel für Rinder.
Bei Weizen und Kartoffeln erreicht Bio dagegen nur rund 60 Prozent der konventionellen Erträge, hier am Beispiel der Kartoffeln:
🥔 20–25 Tonnen pro Hektar Bio-Landbau
🥔 35–40 Tonnen pro Hektar in der konventionellen Landwirtschaft
Das ist entscheidend, denn Weizen und Kartoffeln zählen zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln. Weizen für Brot, Teigwaren sowie Gebäck und Kartoffeln als kohlenhydratreiche Sättigungsbeilage.
Für die tieferen Ernten im Bio-Landbau seien zwei Faktoren verantwortlich, ordnet Jochen Mayer ein:
«Bio-Landwirte düngen nur mit Hofdünger (Gülle und Mist), dadurch ist weniger Stickstoff verfügbar.»
«Im Bio-Landbau sind mit Ausnahme von Kupfer fast keine Pflanzenschutzmittel erlaubt. Das erhöht die Krankheitsanfälligkeit der Kulturen.»
Die tieferen Bio-Erträge wirken sich auf Geschmack und die nachhaltige Versorgung unterschiedlich UA, erklärt Mayer:
«Geschmacklich sind Bio-Produkte oft intensiver. Das liegt an der langsameren Reifung und der geringeren Verfügbarkeit von löslichem Stickstoff, was die Aromabildung fördert.»
«Für eine verlässliche Versorgung mit Bio-Lebensmitteln brauchen wir aber mehr Effizienz – etwa durch eine bessere Sortenwahl und standortangepassten Anbau.»

Warum ist Bio pro Hektar klimafreundlicher – aber pro Kilogramm fast genauso klimaschädlich wie konventionelle Landwirtschaft?
Mit Hofdünger (Gülle und Mist) statt synthetischem Stickstoffdünger sinken die Lachgas-Emissionen N2O pro Hektar im Bio-Landbau deutlich. Das ist ein klarer Klima-Vorteil für Bio. Und durch den Humusaufbau wird zusätzlich Kohlenstoffdioxid CO₂ im Boden gebunden.
«Aber weil die Erträge pro Hektar beim Bio-Landbau tiefer sind als in der konventionellen Landwirtschaft, sind Bio-Produkte pro Kilogramm fast genauso klimarelevant wie konventionelle Produkte», ordnet Hans-Martin Krause ein.
KonsumentInnen und LandwirtInnen können diesen Klimaeffekt optimieren:
Die Bio-LandwirtInnen müssten vermehrt proteinreiche Kulturen mit hoher Flächeneffizienz anbauen – zum Beispiel Soja oder Linsen.
Die KonsumentInnen müssten dafür häufiger auf klimaschädlichere Produkte wie Fleisch verzichten.
Der blinde Fleck im Bio-Landbau: Phosphor und Recycling-Dünger
Der DOK-Versuch zeigt noch ein anderes Problem im Bio-Landbau: Da keine synthetischen Phosphat-Dünger erlaubt sind, fehlt es den Bio-Böden oft an Phosphor.
Bis in die 1990er-Jahre hatten Bio-Landbau und konventionelle Landwirtschaft dafür eine Lösung. Sie importierten versteinerten Guano von der Pazifikinsel Nauru, Jahrtausende alten Kot von Seevögeln.
63 Millionen Tonnen Guano wurden in nur einem Jahrhundert abgebaut und über 22’000 Kilometer nach Europa verschifft. Heute sind über 80 Prozent der Inselfläche von Nauru vollständig abgetragen, die Böden auf ewig unbrauchbar. Nachhaltig geht anders.
Nachhaltig wären dagegen Recycling-Dünger aus Klärschlamm, Abwasser oder Kompost.
Noch ist der Einsatz von Klärschlamm in der Schweiz verboten, in Deutschland und Österreich streng eingeschränkt. Der Grund dafür ist die mögliche Belastung mit Schwermetallen, Mikroplastik oder Arzneimittel-Rückständen.
Recycling-Dünger aus Abwasser und Kompost sind heute schon in der konventionellen Landwirtschaft zulässig, wenn sie hygienisiert sind und Grenzwerte einhalten.
Die Bio-Verbände lehnen Recycling-Dünger aber konsequent ab. Sie sehen darin ein Risiko für Boden, Wasser und Lebensmittelqualität. «Dabei enthält Recycling-Dünger viel wertvollen Phosphor, darauf können wir nicht verzichten», betont Jochen Mayer.
Und dann ergänzt Mayer: «Ironischerweise ist hygienisierter menschlicher Urin chemisch reiner als viele konventionelle Mineraldünger.» Tatsächlich ist der Recycling-Dünger ‘Aurin’ heute schon für die Landwirtschaft zugelassen und wird bereits eingesetzt.
Bio muss seine Komfortzone verlassen und neue Technologien akzeptieren
Der DOK-Versuch macht deutlich: Die Landwirtschaft braucht mehr Innovation, auch der Bio-Landbau! Etwa mit robusten Kartoffelsorten, Mischkulturen (wie Mais und Bohnen auf gleicher Fläche), mit der Agroforstwirtschaft (Obstbäume im Ackerbau) oder mit der Genschere CRISPR/Cas.
«Wir können nicht auf der Stelle treten», sagt Hans-Martin Krause. «Wir müssen neue Technologien mit den Grundwerten des Bio-Landbaus abgleichen – Transparenz, Natürlichkeit, Kreislaufdenken.»
Ob Bio bereit ist, seine Komfortzone zu verlassen, bleibt offen. Der DOK-Versuch liefert dafür die besten Argumente – aus der Tiefe des Bodens.

Der DOK-Versuch auf einen Blick
✅ Was wird untersucht?
Vergleich dreier Anbausysteme unter exakt gleichen Bedingungen:
Biologisch-dynamisch (D wie Demeter)
Organisch-biologisch (O)
Konventionell (K)
✅ Seit wann läut der DOK-Versuch?
Seit 1978 – er ist damit einer der ältesten und umfassendsten Langzeitversuche weltweit.
✅ Was zeigt der DOK-Versuch?
Bio-Parzellen haben 16 Prozent mehr Humus
Bio-Parzellen haben bis zu 83 Prozent mehr Bodenaktivität
Bio braucht 65 Prozent weniger Stickstoff als die konventionelle Landwirtschaft
Bio braucht nur 8 Prozent der Pflanzenschutzmittel-Menge der konventionellen Landwirtschaft
Bio erreicht aber nur 80 bis 85 Prozent der konventionellen Landwirtschaft
Bio ist besser fürs Klima pro Hektar, aber pro Kilogramm gleich klimarelevant wie die konventionelle Landwirtschaft
Phosphormangel ist eine Herausforderung im Bio-Landbau
✅ Warum ist das relevant?
Der DOK-Versuch liefert robuste Daten, um nachhaltige Landwirtschaft weiterzuentwickeln – mit Blick auf Ernährungssicherheit, Umwelt- und Klimaschutz.
✅ Was bringt die Zukunft?
Recycling von Nährstoffen (z. B. Phosphor aus Klärschlamm, Abwasser und Bio-Kompost)
Robuste Sorten statt Höchstertrag
Diversifizierung: Mischkulturen, Agroforst, Untersaaten
Debatten über neue Züchtungsmethoden wie CRISPR/Cas laufen
Weitere Infos
FiBL-Dossier zum DOK-Versuch (PDF zum Download):
«Der DOK-Versuch – Vergleich von biologischen und konventionellen Anbausystemen über 45 Jahre»
Gratulation! Ausgezeichneter Bericht: Verständlich, umfassend. objektiv!