Kampfwahl um das Bio Suisse-Präsidium: Maria Thöni fordert Urs Brändli heraus
An der Bio Suisse-Delegiertenversammlung am 17. April 2024 wird Präsident Urs Brändli erstmals seit 2011 von einer Konkurrentin herausgefordert: Die Bündnerin Maria Thöni kandidiert für das Präsidium.
Am 17. April 2024 findet die Frühlings-Delegiertenversammlung des Schweizer Dachverbandes der Organisationen der biologischen Landwirtschaft statt. Und jeder Delegierte weiss: Die DV von Bio Suisse zieht sich «dank» gelebter und mehr oder weniger geliebter Basisdemokratie chronisch in die Länge. Eine sechs Stunden dauernde DV ist bei Bio Suisse völlig normal.
Aus dem gleichen Grund sind die Delegiertenversammlungen der Knospe-LandwirtInnen chronisch hoch kontrovers. Spätestens dann, wenn ein bärtiger Bergbauer der Mitgliedorganisation Schweizer Bergheimat aufsteht und dem Vorstand die Kutteln putzt oder eine Richtlinien-Verschärfung vorschlägt («Wir brauchen wieder den Natursprung!»).

Eine Kampfwahl wird über das Präsidium von Bio Suisse entscheiden
Die Frühlings-Delegiertenversammlung 2024 wird zusätzlich kontroverser und damit wohl noch länger dauern als sonst. Der langjährige Präsident des Bio-Dachverbandes, Urs Brändli, wird erstmals seit 2011 von einer Konkurrentin herausgefordert. Die Bergbäuerin Maria Thöni aus Stierva GR kandidiert für das Präsidium bei Bio Suisse.
Es ist nicht die erste Kampfwahl, die Urs Brändli bestehen muss. Schon 2011 wurde er in einer spannenden Kampfwahl als Nachfolger von Regina Fuhrer gewählt, die Bio Suisse von 2001 bis 2011 führte. Sein Gegner war der damalige Vizepräsident Martin Riggenbach aus Solothurn, der nach der Kampfwahl denn auch prompt seinen Rücktritt aus dem Vorstand einreichte.

Seither wurde der Bio-Landwirt und Milchproduzent Urs Brändli aus Goldingen SG von der Delegiertenversammlung als Bio Suisse-Präsident drei Mal klar bestätigt: 2012, 2016 und 2020. Doch die Zeiten ändern sich, so arbeitet heute mit Dora Fuhrer (35) die nächste Generation im Vorstand mit, die Tochter von Brändlis Vorgängerin.
Und neben dem ewigen Streit zwischen Ideologen und Pragmatikern über praxisferne Richtlinien ist die sehr praxisnahe Kritik an der Übermacht von Coop und Migros und der gut bezahlten Verwaltung von Bio Suisse dazu gekommen. Weshalb Urs Brändli an der Frühlings-Delegiertenversammlung 2024 in eine Kampfwahl steigen muss.

Maria Thöni ist die Herausforderin aus dem bündnerischen Stierva
Die Herausforderin Maria Thöni ärgerte sich zuerst einmal über die Kürzung des Beitrages für besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme BTS. Für dieses Tierwohl-Programm zahlt der Bund ab 2024 rund 15 Millionen Franken weniger Direktzahlungen, weshalb zum Beispiel beim Rindvieh der BTS-Beitrag von 90 auf 75 Franken pro Tier und Jahr sinkt.
Das spürt Maria Thöni als Halterin von Mutterkühen in ihrem Portemonnaie, weshalb sie vom Dachverband der Organisationen der biologischen Landwirtschaft eine Einsprache gegen diese Kürzung erwartet: «Bio Suisse müsste viel lauter dagegen protestieren!»

Die Herausforderin kritisiert die Amtszeit und das Alter des Bio Suisse-Präsidenten
Aber noch etwas wurmt die 50jährige Bio-Bergbäuerin, wie sie dem «Schweizer Bauer» erklärte: «Urs Brändli ist seit 2011 im Amt und ich bin für eine Amtszeitbeschränkung von 12 Jahren. Das fördert neue Ideen und in Zukunft auch die Mitbestimmung junger BetriebsleiterInnen.» Sie selbst sei mit 50 Jahren und nach 23 Jahren Betriebsleitung «gerade in der Mitte und nicht kurz vor der Pension wie Urs Brändli».
Die Alterslimite der Vorstandsmitglieder von Bio Suisse liegt aber gemäss Statuten bei 70 Jahren und auch über die Amtsdauer gibt es nichts zu diskutieren. Diese beträgt für Vorstandsmitglieder 16 Jahre, für den Präsidenten total 20 Jahre (Vorstands-Zeit plus Präsidial-Zeit zusammengerechnet).
Maria Thöni kritisiert zudem, Urs Brändli sei «faktisch gesehen kein Einzelmitglied mehr, da er seinen Bio-Landwirtschaftsbetrieb an den Sohn übergeben hat». Tatsächlich gibt es laut Statuten keine Passivmitgliedschaft bei Bio Suisse. Maria Thöni insistiert im Interview mit dem «Schweizer Bauer»: «Das Präsidium sollte eine Betriebsleitende mit Produzentenvertrag führen, also ein Einzelmitglied bei Bio Suisse.»
Eine Kampfwahl um das Bio Suisse-Präsidium mit sehr ungleichen Voraussetzungen
Deshalb reichte Maria Thöni zu Handen der Frühlings-Delegiertenversammlung von Bio Suisse ihre Kandidatur als künftige Präsidentin ein. Auf grosse Unterstützung der Bündner Delegierten wird sie nicht zählen können: Schon als der Bündner Claudio Gregori im Frühling 2023 aus dem Bio Suisse-Vorstand zurücktrat, wurde Maria Thöni von Bio Grischun nicht nominiert. So tritt sie auch 2024 ohne ihre kantonale Mitgliedsorganisation im Rücken an.
Die Kampfwahl um das Bio Suisse-Präsidium dürfte trotzdem spannend werden. An der Frühlings-Delegiertenversammlung werden ab 14 Uhr zuerst das Präsidium und danach der restliche Vorstand bestätigt oder neu gewählt. Bio Suisse rechnet gemäss Traktandenliste mit 35 Minuten für die Wahlgeschäfte. So wie man die Debattenkultur von Bio Suisse kennt, ist das so wahrscheinlich wie die spontane Wieder-Einführung des Natursprungs.
Bio Suisse
Bio Suisse ist der Dachverband von über 7300 Knospe-Bauern und Knospe-Gärtnern aus 32 Organisationen der biologischen Landwirtschaft in der Schweiz:
22 regionale Mitgliedorganisationen
5 Gründungsorganisationen (Bioterra, Biofarm, Progana, Demeter und das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau FiBL) sowie
5 weitere Mitgliedorganisationen
Kurz-Bio Urs Brändli (61)
In Samstagern ZH aufgewachsen
1979-1981 Landwirtschaftliche Lehre in Fey VD und Treyvaux FR
1982-1983 Winterschule und Fähigkeitsprüfung im Berufsbildungszentrum BBZ Pfäffikon SZ
1993 Meisterprüfung am Strickhof ZH
1984 Auslandaufenthalte in Australien und Neuseeland
1985 Gibelhof in Goldingen SG von der Schauspielerin Lilli Palmer gekauft, ein 29 Hektaren-Milchviehbetrieb (30 Milchkühe) mit 3 Hektaren Wald auf rund 1000 m ü. M. in der Bergzone II.
1994 Umstellung auf Bio
seit 2011 Präsident von Bio Suisse (50 Prozent)
ab 2011 schrittweise Übergabe des Gibelhofes an Sohn Leon Brändli
Urs Brändli ist verheiratet mit der Neuseeländerin Joanne und Vater dreier erwachsener Kinder.
Kurz-Bio Maria Thöni (50)
In Bayern aufgewachsen auf einem Bauernhof mit Ackerbau und Schweinezucht
1992-1996 Sozialpädagogik an der Fachhochschule Benediktbeuern
1996-1998 Erziehungswissenschaft an der Universität Augsburg (lic. phil.)
1998 Hilfskraft auf der Kuhalp in Stierva GR
2003-2009 Vorstand Kantonaler Landfrauenverband Graubünden
2010-2015 Erziehungswissenschaft an der Universität Basel (Dr. phil.)
seit 2000 Betriebsleiterin mit ihrem Mann Christian Thöni auf dem Angushof in Stierva bei Tiefencastel GR. Sie führen den 19 Hektaren-Mutterkuhbetrieb auf rund 1350 m ü. M. in der Bergzone IV, etwas Wald und 6 Hektaren Bergwiesen auf rund 1800 m ü. M.
2001 Umstellung auf Bio
seit 1999 u.a. Leiterin der Bündner Fachstelle Religionspädagogik und von ProBio (ehemals ProVieh), Kassiererin der Alpgenossenschaft Stierva und Präsidentin des Bäuerinnenvereins Surses sowie von Pro Raetia.
Maria Thöni ist verheiratet mit Christian Thöni und Mutter einer erwachsenen Tochter.