1000 Tonnen Protein regional statt importiert: Wie «Protaneo» den Fleischersatz neu denkt
Während Rohstoffe für vegane Lebensmittel um die halbe Welt reisen, bevor sie als «nachhaltige Alternative» verkauft werden, bringt «Protaneo» heimische Erbsen und Bohnen in die fleischlose Küche.

Kurz & bündig
Die 140 Jahre alte Groupe Minoteries SA wird zum Innovationstreiber
Was steckt in pflanzenbasierten Lebensmitteln?
Protaneo kommt in nur zwei Jahren von der Idee auf den Teller
Für Protaneo wurde jede Produktionsstufe neu gedacht und optimiert
Eiweisserbsen und Ackerbohnen statt Soja
Die Einführung neuer alter Kulturen bei den LandwirtInnen
Das Pflanzenmehl wird trocken extrudiert
Protaneo wird ausgezeichnet als perfektes Produkt in Sachen Nachhaltigkeit
Protaneo gibt es in der Gemeinschafts-Gastronomie und im Online-Shop
«C'est une énorme contradiction, der Widerspruch könnte kaum grösser sein» erklärt Valérie Vincent, «wer ein pflanzliches Schnitzel, Burger-Patty, Geschnetzeltes oder Gehacktes kauft, will nachhaltig essen. Doch die pflanzlichen Proteinquellen für diese Produkte reisen oft um den halben Globus, bevor sie in die einheimische Lebensmittelproduktion gelangen.»
Für das zweitgrösste Schweizer Mühlen-Unternehmen lancierte Valerié Vincent deshalb ein ambitioniertes Projekt um zu zeigen, dass es anders geht: «Mit heimischen Proteinpflanzen wird die Herstellung pflanzenbasierter Lebensmittel nicht nur regionaler, sonder auch nachhaltiger.»
Die 140 Jahre alte Groupe Minoteries SA wird zum Innovationstreiber
Also besuche ich Valérie Vincent in der Getreidemühle in Granges-près-Marnand. Sie ist hier Innovationsmanagerin der Groupe Minoteries SA. Das das einzige börsenkotierte Mühlenunternehmen der Schweiz verarbeitet jährlich 145'000 Tonnen Getreide und deckt damit 30 Prozent des nationalen Bedarfs an Brotgetreide ab.
Zwischen den sanften Hügeln des französischsprachigen Waadtlands erhebt sich der Mühleturm. Sobald ich die Mühle betrete, umhüllt mich ein feiner Mehlduft, der in der Luft liegt.
Die Geräuschkulisse ist von tiefem Brummen und rhythmischen Vibrationen geprägt – hier arbeiten gigantische Walzen, Siebe und Förderbänder im Takt der industriellen Präzision. Fünf Stockwerke hoch, mit zahllosen Rohren und Trichtern durchzogen, verarbeitet die Mühle täglich Tonnen von Weizen und Dinkel.
Doch seit 2023 läuft eine neue Produktionslinie: Eiweisserbsen und Ackerbohnen aus heimischem Anbau ersetzen importierte Rohstoffe für pflanzenbasierte Lebensmittel. Sie verkürzen den Weg vom Feld auf den Teller – von einer halben Weltumrundung auf wenige Kilometer.
Was steckt in pflanzenbasierten Lebensmitteln?
Milchalternativen verraten meist schon im Namen, was ausser Wasser und Zusatzstoffen in der Kartonpackung steckt: Hafer, Soja und Mandeln – seltener Erbsen, Dinkel und Hanf.
Bei den pflanzlichen Fleischalternativen muss man schon genauer hinschauen. Vegane Würste und Schnitzel, Geschnetzeltes und Gehacktes basieren auf importiertem Soja (Tofu), Seitan (Weizen-Eiweiss), Quorn (Pilz-Myzel), Erbsen und anderen Hülsenfrüchten.
Doch damit allein ist es nicht getan. Um die richtige Textur, Farbe und Haltbarkeit zu erreichen, werden diverse Zusatzstoffe eingesetzt:
Methylcellulose (E461) als Bindemittel – ist schwer verdaulich.
Zuckercouleur (E150d) als Farbstoff – kann potenziell krebserregend sein.
Hefeextrakt und Glutamat (E621) als Geschmacksverstärker – können Kopfschmerzen oder Unwohlsein auslösen.
Mono- und Diglyceride von Speisefettsettsäuren (E471) als Stabilisatoren – oft aus Palmöl, daher umstritten.
Zusatzstoffe wie E461, E150d, E621 und E471 können also gesundheitliche Auswirkungen haben.

Protaneo kommt in nur zwei Jahren von der Idee auf den Teller
«Diese Widersprüche haben mich nicht losgelassen», erzählt Valérie Vincent, während sie durch eine Produktionshalle der Groupe Minoteries SA führt, in der nun Schweizer Eiweisserbsen und Ackerbohnen verarbeitet werden. «Warum sollte ein nachhaltiges Produkt erst um die halbe Welt reisen müssen?»
Die Innovationsmanagerin setzte sich zum Ziel, eine pflanzliche Eiweissalternative aus heimischem Anbau zu schaffen. Vincent brachte erst einmal drei starke Partner in einem Joint Venture zusammen:
Die Produzentenorganisation IP-Suisse für den lokalen Anbau von Eiweisserbsen und Ackerbohnen
Feldkost Food AG für die Entwicklung der pflanzlichen Eiweissprodukte
Groupe Minoteries SA für die Verarbeitung und den Vertrieb
Der Weg von der Idee bis zum fertigen Produkt war dann erstaunlich kurz. In nur zwei Jahren schuf Valérie Vincent mit ihrer Erfahrung und ihrem Netzwerk in der Lebensmittelindustrie ein Konzept, das vom Feld bis auf den Teller reicht: die erste pflanzliche Fleischalternative ausschliesslich aus heimischen Proteinpflanzen.
«Es war wie ein grosses Puzzle», beschreibt Valérie Vincent mit leuchtenden Augen den Entstehungsprozess. «Zusammen mit den Partnern konnte ich die ganze Produktionskette Teil für Teil zusammensetzen.» So wie den Markenname «Protaneo» – ein Kofferwort aus Protein und Neo (neu).

Für Protaneo wurde jede Produktionsstufe neu gedacht und optimiert
Zusammen mit den Partnern IP-Suisse und Feldkost Food AG ging Valérie Vincent Schritt für Schritt vor. Die erste Herausforderung: Welche Pflanzen sollten angebaut werden?
Eiweisserbsen und Ackerbohnen statt Soja
Die Entscheidung fiel auf Eiweisserbsen und Ackerbohnen – zwei Kulturen mit tiefen historischen Wurzeln in Europa. «Erbsen waren seit der Jungsteinzeit ein Grundnahrungsmittel hier», erklärt Vincent, «und Ackerbohnen wurden seit dem Mittelalter als Tierfutter und Nahrungsmittel angebaut. Wir haben sie nur wiederentdeckt.
Im Vergleich zu Soja bieten diese Pflanzen entscheidende Vorteile: Mit nur 1 bis 2 Prozent Fettanteil (gegenüber 18 bis 20 Prozent bei Soja) entfällt der aufwendige Entfettungsprozess. Ihre trockene, mehlige Konsistenz ist ideal für die Weiterverarbeitung und ergeben schön texturierte Eiweissprodukte.

Die Einführung neuer alter Kulturen bei den LandwirtInnen
Die LandwirtInnen liessen sich schnell überzeugen. «Was unsere Vorfahren jahrhundertelang angebaut haben, funktioniert sicher», schmunzelt ein Landwirt, der für «Protaneo» Ackerbohnen anbaut.
Im Gegensatz dazu ist der Sojaanbau in den deutschsprachigen Ländern eine vergleichsweise junge Entwicklung. Erst in den 1980er-Jahren begann der Anbau in Österreich, in Deutschland und der Schweiz erst um das Jahr 2000.
Der finanzielle Anreiz tat sein Übriges: Statt 58 Franken pro 100 Kilo Weizen erhalten die Landwirte inklusive IP-Suisse-Prämie 75 Franken für dieselbe Menge Eiweisserbsen oder Ackerbohnen.
2023 und 2024 wurden je 400 Hektar angebaut – 350 Hektar Gelberbsen und 50 Hektar Ackerbohnen. 2025 wurde die Fläche auf 90 Hektar reduziert, mit einem verstärkten Fokus auf Ackerbohnen.
«C’est là que nous nous sommes trompés – wir hatten die Anfangsnachfrage für ein völlig neues veganes Produkt überschätzt», gibt Valérie Vincent offen zu, «aber das Potenzial ist nach wie vor enorm.»

Das Pflanzenmehl wird trocken extrudiert
Die dritte bahnbrechende Entscheidung betraf das Herstellungsverfahren. Gemeinsam mit der Feldkost Food AG und den Müllern der Groupe Minoteries SA wählte Valérie Vincent einen trockenen Extrusionsprozess: Unter hohem Druck und Temperatur quillt das Eiweiss auf und bildet eine faserige Struktur, die an Fleisch erinnert.
Das Ergebnis sind trockene, texturierte Proteinstücke mit bemerkenswerten Vorteilen: Sie sind energieeffizienter herzustellen, da kein zusätzlicher Trocknungsschritt nötig ist. Und sie benötigen keine Kühlkette beim Transport und nehmen in Tiefkühltruhen der Gastronomie oder Privathaushalte keinen Platz weg.
In der Produktionshalle der Groupe Minoteries SA nimmt Valérie Vincent eine Handvoll des fertigen Pflanzengeschnetzelten aus einer Maschine. «Regardez – schauen Sie – keine Zusatzstoffe, kein Verstärker, keine Farbstoffe. Nur reines Pflanzenprotein aus Schweizer Feldern.»

«Protaneo» wird ausgezeichnet als «perfektes Produkt in Sachen Nachhaltigkeit»
Seit November 2023 verarbeitet die Mühle nun Eiweisserbsen und Ackerbohnen zu Mehl mit Eiweissgehalten zwischen 40 und 80 Prozent. Als Nebenprodukt entsteht stärkehaltiges Mehl für Backwaren, glutenfreie Produkte und nachhaltige Tierernährung – ein Paradebeispiel für Kreislaufwirtschaft.
Die erste Produkte aus dieser neuen, nachhaltigen Produktion sind ein Pflanzengeschnetzeltes und ein Pflanzenhhack. Beide «Protaneo»-Produkte sind frei von Zusatzstoffen und tragen das IP-Suisse-Label für Nachhaltigkeit. Mit der Bestnote A+ vom Eco-Score by Beelong wird «Protaneo» als besonders nachhaltiges Lebensmittel ausgezeichnet.
Protaneo gibt es in der Gemeinschafts-Gastronomie und im Online-Shop
Das pflanzliche Geschnetzelte und Gehackte von «Protaneo» wird bereits in der Schweizer Gross-Gastronomie eingesetzt:
Die SV Group bietet seit Januar 2025 in über 450 Mitarbeiter-Restaurants und Mensen in der Schweiz und Deutschland «Protaneo» Pflanzenhack mit Pommes Frites und eingelegtem Gemüse an.
Privatverbraucher können das Geschnetzelte und Gehackte in Beuteln zu 120 Gramm respektive 250 Gramm online direkt bei der Mühle bestellen. Angerührt mit Bouillon oder einer anderen Flüssigkeit ergibt das die dreifache Menge veganes Geschnetzeltes und Gehacktes.
Der Preis liegt mit 11 bis 13 Franken pro Kilo deutlich unter dem von tierischem Hackfleisch oder Geschnetzeltem – ein weiterer Pluspunkt für die nachhaltige Alternative.
Im Pausenraum der Mühle sitzt Valérie Vincent zufrieden vor einem Teller dampfender Spaghetti Bolognese – zubereitet mit «Protaneo»-Pflanzenhack. «Was Sie hier sehen“» sagt sie, «ist mehr als nur ein Produkt. Es ist der Beweis, dass wir unser Ernährungssystem nachhaltig verändern können – vom Feld bis auf den Teller.»
🚨 Sie haben gelesen, wie «Protaneo» pflanzliche Fleischalternativen nachhaltiger macht. Doch wie wichtig ist ihnen Regionalität bei pflanzlichen Produkten? Diskutieren sie mit – ich bin gespannt auf ihre Meinung!