Ein Roundhouse-Stall im Taubertal ist eine runde Sache für 65 Wagyu-Rinder
Ein Roundhouse-Stall ist auf das Wohl der Rinder ausgelegt, durch die offene Bauweise sind die Tiere immer an der frischen Luft. Im Stall sind Wagyu-Rinder, deren Fleisch als das Beste der Welt gilt.

Kurz & bündig
Der Stallbauer ID Agro erstellt für 350’000 Euro einen bezugsfertigen Roundhouse-Stall
Der Roundhouse-Stall sieht aus wie ein Zirkuszelt ohne Seitenwände
Das ausgeklügelte Gehege-System im Roundhouse-Stall «führt» die Wagyu-Herde
Das Fleisch der Wagyu-Rinder ist ein Luxusprodukt, das seinen Preis hat
Weidehaltung und sehr langsame Mast sorgen für perfekte Marmorierung im Wagyu-Fleisch
Im Roundhouse-Stall sind die Wagyu-Rinder weniger krankheitsanfällig
In wenigen Jahren vom ersten Wagyu-Kälbchen zum 1200-Kilo-Zuchtstier Taro
Draussen prasselt der Regen auf das runde Zeltdach, als Florian Richter mit festen Schritten durch den Roundhouse-Stall schreitet. Hinter einem Gitter schnaubt Taro, der mächtige Wagyu-Stier – 1200 Kilo Lebendgewicht, glänzendes Fell und kritischer Blick. «Den willst Du nicht näher kennenlernen», sagt Florian Richter lachend.
Sein Vater Wolfgang Richter (67) führte im Taubertal (Baden-Württemberg) 45 Jahre lang einen Ferkelaufzucht-Betrieb, bevor seine Söhne Florian (43) und Max Richter (41) den Hof in die Hand nahmen.
«Wir haben wochenlang gerechnet, Szenarien durchgespielt – aber am Ende war klar: Die Ferkelaufzucht trägt sich nicht mehr», sagt Florian Richter. 2014 fiel die Entscheidung: Der alte Weg war zu Ende, ein neuer musste her.
Die Söhne wollten zur Bio-Mutterkuhhaltung wechseln, was aber leichter gesagt als getan ist. Denn dafür hätten sie den alten Stall der Ferkelaufzucht für mehr als 1 Million Euro umbauen müssen. Schliesslich entschieden sich die Brüder für japanische Wagyu-Rinder (mehr über die Rinder-Rasse weiter unten).

Der Stallbauer ID Agro erstellt für 350’000 Euro einen bezugsfertigen Roundhouse-Stall
In den Niederlanden fanden sie mit der ID Agro einen Stallbauer, der ihnen für einen Drittel der Kosten – rund 350’000 Euro – einen bezugsfertigen Roundhouse-Stall offerierte.
Die ID Agro baut seit 2009 Roundhouse-Ställe mit ihrer charakteristischen Form in drei Durchmessern:
22,30 m = 410 Quadratmeter Stallfläche
30 m = 718 Quadratmeter Stallfläche
45 m = 1616 Quadratmeter Stallfläche
167 Roundhouse-Ställe wurden bis heute weltweit erstellt, 21 davon in Deutschland. Auf Anfrage erklärte ID Agro, dass sie in der Schweiz und Österreich bisher noch keinen Roundhouse-Stall gebaut haben.
«Von der Erteilung der Baugenehmigung bis zur Aufrichte ging es nur 80 Tage», staunt Florian Richter selbst im Nachhinein. Im Frühling 2021 wurde das Fundament gegossen und dann der Stall aufgestellt.
«Die vorgefertigte Stahl-Konstruktion wurde vom Mittelpfosten ausgehend aufgerichtet und auseinander gefaltet», erzählt Florian Richter. «Drei Tage später standen alle Pfosten und das Dach war aufgespannt.»

Der Roundhouse-Stall sieht aus wie ein Zirkuszelt ohne Seitenwände
Von aussen sieht der Roundhouse-Stall aus wie ein Zirkuszelt ohne Seitenwände: Ein riesiger runder Schirm mit einem Durchmesser von 30 Metern und einer 10 Quadratmeter grossen Öffnung in der Mitte bietet Schutz vor dem Regen, gleichzeitig aber auch frische Luft.
Man könnte auch ein Regenwasser-Nutzungssystem in den Stall integrieren, welches das Dachablauf-Wasser in eine Zisterne leitet. Dieses Wasser könnte für die Reinigung des Stalls oder – mit einem UV-Filter gereinigt – sogar als Trinkwasser verwendet werden, was die Betriebskosten senkt.
An einem Tag wie heute, während es gefühlt ganze Schwimmbäder auf das Dach schüttet, sicher eine lohnende Idee.
Das ausgeklügelte Gehege-System im Roundhouse-Stall «führt» die Wagyu-Herde
Begeistert führt mich Max Richter durch den Roundhouse-Stall: «Hier kann sich eine Person alleine um die Tiere kümmern. Alles ist zweckmässig, robust und für mich sicher.»
Unter dem Dach stehe ich im Gehege-System aus einer verzinkten Stahlkonstruktion, das die Tiere leitet und den Landwirt beim Umtreiben der Herdegruppen schützt.
Man kann sich das vorstellen wie einen Dreikönigskuchen mit acht Kuchenstücken und einem Mittelstück:
In der Mitte eine kreisrunde Bucht mit acht Toren.
Die Tore führen in die acht Buchten drum herum, eine davon für den Stier Taro.
Von jeder Bucht aus können die Tiere separat ins Freie gelassen werden.
Rundherum verläuft der 98 Meter lange Futter-Tisch. Dieser ist von der Lauffläche abgegrenzt, damit das Futter von den Tieren nicht zertreten und verschmutzt wird.
Die Tränke-Becken sind von zwei Buchten aus erreichbar und alle Becken miteinander verbunden. Damit friert das System auch im tiefsten Winter nicht ein.
Die Tränke-Becken fassen je 35 Liter und sind so tief, dass die Rinder mit ihrem Flotzmaul richtig saufen können.
Denn bei Rindern sind Naseneingang und Oberlippe zusammengewachsen. So können die Rinder beim Grasen mit der breiten Oberlippe das Gras ertasten und greifen, während die Nasenlöcher gut geschützt sind. Diese anatomische Besonderheit hatten schon Ur-Rinder wie der Auerochse, der wilde Vorfahre unserer Hausrinder.

Das Fleisch der Wagyu-Rinder ist ein Luxusprodukt, das seinen Preis hat
Weil die Familie Richter konsequent auf Direktvermarktung setzt, entschieden sie sich für Wagyu-Rinder aus Japan. Deren Fett ist im Fleisch nicht punktuell verteilt, sondern gleichmässig in sehr feiner Marmorierung im Muskelfleisch. Damit ist Wagyu-Fleisch eine Delikatesse, das seinen Preis hat.
Landwirte bezahlen für ein reinrassiges Wagyu-Kalb je nach Abstammung, Alter und Genetik bis 15’000 Euro. Wagyu-Spitzenbullen mit begehrter Blutlinie kosten über 30’000 Euro. Embryonen von ausgewählten Wagyu-Linien kosten über 1000 Euro.
Für das Luxusprodukt Wagyu-Fleisch müssen KonsumentInnen auch einen Luxuspreis bezahlen: Je nach Teilstück und Marmorierung, also dem Fettanteil im Muskel, kostet ein Kilo Wagyu-Fleisch aus heimischer Produktion zwischen 150 und 300 Euro. Filets und Ribeye mit hoher Marmorierung kosten schnell mal 400 Euro pro Kilo.
Weidehaltung und sehr langsame Mast sorgen für perfekte Marmorierung im Wagyu-Fleisch
Die Wagyu-Rinder der Familie Richter weiden in den Hügeln rund um den Hof und bekommen täglich Gerstenschrot-Rationen. Im Winter werden sie mit Heu, Heulage und Gerstenschrot gefüttert. Wenn immer möglich alles vom eigenen Bio-Betrieb.
Die Weidehaltung mit weitem Auslauf und die sehr langsame Mast sorgen dafür, dass sich das Fett im Muskelfleisch der Wagyu-Rinder fein verteilt. Das sieht man später an der typischen Marmorierung.
Wer einmal ein Stück Wagyu-Rind probiert hat, vergisst den Geschmack nicht mehr: butterzart, leicht nussig, mit feinen Fettäderchen durchzogen. «Das ist kein Fleisch, das man einfach kaut – das zergeht auf der Zunge», sagt Florian Richter.

Dazu kommt die luxuriöse «Wohnung» der Wagyu-Rinder: Der Roundhouse-Stall mit 718 Quadratmeter Fläche ist für 140 Rinder in konventioneller Haltung geplant, die Familie Richter führt ihn aber bewusst nur mit 65 Tieren.
Die Wagyu-Rinder stehen und liegen auf einer 60 Zentimeter dicken Strohmatratze. Im Sommer muss einmal pro Woche eingestreut werden.
Vorher kommt noch Holzkohle und Gesteinsmehl auf das alte Strohbett. Das sorgt für angenehmes Stallklima, bindet Feuchtigkeit und Gerüche und verbessert den Mist. Das Gefälle in den Buchten verläuft zur Stallmitte, wo sich der Tretmist sammelt.
Die Wagyu-Herde dreht im Roundhouse-Stall täglich eine Runde, die über den Behandlungsstand mit Waage und am Verlade-Tor vorbei führt. «Für die Rinder wird dieser Weg zur Gewohnheit», betont Max Richter.
So dauert die Impfung gegen die Blauzungen-Krankheit für 65 Tiere nur 20 Minuten, ist Max Richter immer noch erstaunt. Und wenn sie später einmal durch das Verlade-Tor für den Schlachthof verladen werden, geraten die Tiere nicht in Stress, was die Fleischqualität vermindern würde.
Im Roundhouse-Stall sind die Wagyu-Rinder weniger krankheitsanfällig
In der Mitte des Gehege-Systems steht ein selbstschliessender Behandlungsstand. «Der Behandlungsstand ist so flexibel und praktisch, dass wir Kälber darin behandeln könnten und der Tierarzt sogar einen Kaiserschnitt machen kann», erklärt Max Richter.
Bei 1000 Euro für ein Wagyu-Embryo und 15’000 Euro für ein zuchtreifes weibliches Rind lohnt sich der Aufwand für eine schonende Behandlung.
Apropos Veterinär: «Nach unserer Erfahrung sind die Rinder im Roundhouse-Stall weniger krankheitsanfällig. Wir haben praktisch keine Tierarzt-Kosten wegen Erkrankungen.»

In wenigen Jahren vom ersten Wagyu-Kälbchen zum 1200-Kilo-Zuchtstier Taro
Für den Aufbau ihrer Wagyu-Herde stallte Familie Richter Fleckvieh-Kühe als Mütter für den Embryonen-Transfer ein. Das erste Wagyu-Kälbchen brachte nur 30 Kilo auf die Waage, für Wagyu normal, während ein Fleckvieh-Kalb schon mal 45 Kilo wiegt.
Die Wagyu-Kälber bleiben zehn Monate bei ihren Müttern, dann werden sie in Gruppen zu je fünf Tieren aufgeteilt.
Geschlachtet werden die Tiere, wenn sie ein Gewicht von 800 Kilo haben, frühestens mit 38 Monaten. Die kleine Schlachterei ist nur 10 Kilometer vom Hof entfernt. Das Fleisch reift dort anschliessend 21 Tage am Knochen bei 2 Grad Celsius und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 75 Prozent.
Am Ende meines Stall-Rundganges rieche ich schon das Wagyu-Fleisch, das Vater Wolfgang Richter auf der Edelstahl-Grillplatte sanft anbrät.
Ein letztes Foto noch, ich lehne mich an die massiven Rohre des Gehege-Systems hinter mir. Dann rummst es gewaltig. Wagyu-Stier Taro hat Anlauf genommen und mit seinen 1200 Kilo Lebendgewicht das Gitter gerammt, an das ich mich lehne.
Nix passiert. Aber als mir Wolfgang Richter auf den Schrecken ein Glas Schnaps anbietet, zittern meine Hände noch.
🚨 Sie haben gelesen, wie ein Roundhouse-Stall das Wohl der Rinder fördert, weil die Tiere durch die offene Bauweise immer an der frischen Luft sind. Was ist Ihre Meinung zu diesem (noch) futuristischen Stallbau? Diskutieren sie mit – ich bin gespannt auf ihre Meinung!