Pilz statt Poulet: Aldi verkauft «My Vay Gourmet Filet» Fleischersatz aus dem Fermenter
Aldi Suisse verkauft als erster Händler in Deutschland, Österreich und der Schweiz «My Vay Gourmet Filet». Ein Fleischersatz, dessen Mykoprotein mit dem Pilzmyzel Fusarium venenatum produziert wird.

Kurz & bündig
Es sieht aus wie Hähnchenbrust (Pouletbrust), brutzelt in der Pfanne wie Hähnchenbrust und schmeckt wie Hähnchenbrust – stammt aber aus einem Fermenter bei der Schweizer Zuckerfabrik Aarberg.
Das «My Vay Gourmet Filet» ist die erste in der Schweiz (und demnächst in Deutschland und Österreich) verkaufte ovo-vegetarische Hähnchenbrust, dessen Mykoprotein mit dem Myzel (Wurzelgeflecht) des Pilzes Fusarium venenatum mit Rübenzucker durch Nassfermentation gezüchtet wird.
Für das «My Vay Gourmet Filet» braucht es gemäss Hersteller Planetary 90 Prozent weniger Wasser, 99 Prozent weniger Fläche und 95 Prozent weniger CO₂.
Das «My Vay Gourmet Filet» hat eine überraschend fleischähnliche Textur und erinnert geschmacklich an Hähnchenbrust. Eine Alternative für Ovo-Vegetarier und Flexitarier, die ihren Fleischkonsum reduzieren möchten.
Was liegt denn da in der Kühltheke von Aldi Suisse? Zwischen Hähnchenbrust und vegetarischen Hähnchen-Nuggets verkauft der Discounter seit einigen Tagen ein unbekanntes Filet. Verpackung, Form und der Name: «My Vay Gourmet Filet» erinnern an Fleisch.
Doch dieses Filet stammt nicht vom Tier, sondern aus einem Fermenter in Aarberg. Hier züchtet das Schweizer Unternehmen Planetary vegetarisches Mykoprotein aus einem Pilzmyzel in Edelstahl-Tanks.
Der Discounter Aldi Suisse verkauft das Produkt seit Juli 2025 unter der Eigenmarke «My Vay». Der Preis? Gleich hoch wie eine echte Pouletbrust (Hähnchenbrust).
Was ist Mykoprotein? Und was bedeutet «fermentiert»?
Mykoprotein ist Eiweiss aus Pilzzellen. Genauer gesagt: aus dem Myzel, dem fadenförmigen Wurzelgeflecht von Pilzen. Diese Zellen lassen sich in einem Fermenter – einem grossen Stahltank – durch Nassfermentation züchten.
Der Prozess erinnert an die Herstellung von Bier oder Joghurt: Mikroorganismen werden mit Zucker ernährt und wachsen durch Fermentation. Wie Aliette Dupas von Planetary bestätigt, wird dafür Rübenzucker von der Schweizer Zuckerfabrik in Aaarberg verwendet, wo auch die Fermenter stehen.

(Vermutlich) eine neue Pilzart und (vermutlich) eine neue Produktionsmethode
Das Pilzmyzel wächst in Edelstahl-Fermentern bei konstantem Klima. Planetary nutzt dafür die schon bekannte Pilzart Fusarium venenatum, Rübenzucker und im Unterschied zur Quorn-Produktion (mit Trockenfermentation) eine Nassfermentation.
Am Ende entsteht eine eiweissreiche, faserige Biomasse mit fleischähnlicher Struktur. Diese Biomasse wird leicht gewürzt, geformt und pasteurisiert.
Das Resultat: Die Struktur erinnert an Muskelfasern. Vorteil: Der gesamte Prozess ist wetterunabhängig, ressourcenschonend und braucht mit Ausnahme von Hühnerei-Eiweiss keine tierischen Produkte.
Was ist der Unterschied zwischen dem «My Vay Gourmet Filet» und Quorn?
Sowohl das «My Vay Gourmet Filet» von Planetary als auch Quorn bestehen aus fermentiertem Pilzmyzel, unterscheiden sich aber in wichtigen Punkten:
Quorn verwendet den Pilz Fusarium venenatum. Dieser wird in einem Glukose-Substrat aus Weizen in Trockenfermentation kultiviert.
Danach wird das Filet für eine faserige Textur eingefroren, um Bissfestigkeit und Textur zu erreichen.
Quorn wird in Grossbritannien produziert und vermarktet seine Produkte hauptsächlich unter seiner eigenen Marke.Planetary (My Vay) verwendet auch den Pilz Fusarium venenatum. Diesen kultiviert Planetary gemäss eigenen Angaben «als einziger Hersteller von Mykoprotein» in einem Saccharose-Substrat aus Rübenzucker in Nassfermentation.
Danach erhält das Filet durch kontrollierte Formung und Pasteurisierung) seine Bissfestigkeit und Textur.
Die Mykoprotein-Produkte von Planetary werden in der Schweiz produziert und ausschliesslich B2B vermarktet, von Aldi Suisse zum Beispiel unter deren Marke My Vay.
Beide Produkte imitieren die Textur von Fleisch durch spezielle Verfahren – bei Quorn durch einen Gefrierprozess, bei My Vay durch Formung und Pasteurisierung.

Ich teste das erste «My Vay Gourmet Filet» (ovo-vegetarische Hähnchenbrust)
Seit Juli 2025 verkauft Aldi Suisse in allen 242 Schweizer Filialen das neue Filet unter der Eigenmarke My Vay. Hergestellt wird es von Planetary in Zusammenarbeit mit The Livekindly Collective. Der Preis liegt bei 2.80 Franken (3 Euro) pro 100 Gramm – auf Augenhöhe mit echter Hähnchenbrust.
Geschmack und Konsistenz erinnern laut Hersteller an Hähnchenbrust. Das möchte ich genauer wissen. Ich lege die zwei Filets aus dem Fermenter in die Bratpfanne, brate sie wie eine echte Hähnchenbrust scharf an und lasse sie kurz ziehen.
Es sieht aus wie Hähnchenbrust und brutzelt in der Bratpfanne wie Hähnchenbrust. Schmeckt es auch wie Hähnchenbrust?
Die Konsistenz von «My Vay Gourmet Filet» ist relativ nahe an einer Hähnchenbrust: Es hat einen festen Biss und eine fleischähnliche Textur – ist aber ein bisschen weniger saftig als Hähnchenbrust – und erinnert geschmacklich an echtes Poulet.
Mein Fazit: Das «My Vay Gourmet Filet» eignet sich für Ovo-Vegetarier und Flexitarier, die ihren Fleischkonsum reduzieren wollen und nicht auf Geschmack und Biss verzichten möchten.

Wie nachhaltig ist das «My Vay Gourmet Filet» aus fermentiertem Pilzmyzel?
Laut Planetary benötigt die Produktion von «My Vay Gourmet Filet» im Vergleich zu echtem Fleisch:
90 Prozent weniger Wasser
99 Prozent weniger Land und verursacht
95 Prozent weniger Treibhausgase
Im Vergleich mit Tofu (aus Sojabohnen) oder Seitan (aus Weizen-Eiweiss) ist das Bild komplexer, weil die Fermentation mehr Energie braucht.
Die Umweltbilanz von «My Vay Gourmet Filet» dürfte auf jeden Fall deutlich besser sein als bei Tierhaltung. Doch konkrete unabhängige Studien fehlen bislang.
Gemäss einer aktuellen Studie von Agroscope und der Uni Bern mit dem Titel «Ersatzprodukte für Fleisch und Milch | TA-SWISS» brauchen Mykoprotein-Alternativen generell (also nicht konkret das «My Vay Gourmet Filet») 94 Prozent weniger Wasser, aber «nur» 31 Prozent weniger Land und verursachen «nur» 40 Prozent weniger Treibhausgase.
Mykoprotein-Alternativen enthalten dafür 25 Gramm Ballaststoffe pro 100 Gramm, Fleisch hingegen keine. Auch enthalten Mykoprotein-Alternativen dreizehn Mal mehr Calcium, jedoch 37 Prozent weniger Protein und drei bis vier Mal weniger Vitamin B12 als Fleisch.
Planetary will weitere Mykoprotein-Produkte auf den Markt bringen
Planetary plant bereits weitere Produkte: Hackfleisch, Würste, Aufschnitt. Auch andere Start-ups weltweit arbeiten an fermentierten Proteinquellen.
Planetary will seine im Fermenter gezüchteten Produkte aus Mykoprotein demnächst nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland und Österreich auf den Markt bringen.
🥩 Mykoprotein-Filet: Das musst du wissen
🐔 (Fast) kein Tier im Spiel
Das Mykoprotein für die Filets wird aus dem veganem Pilzmyzel von Fusarium venenatum im Nassfermenter gezüchtet. Mit Ausnahme von Hühnerei-Eiweiss ohne Tierhaltung.🍀 «Nur» vegetarisch
Durch die Zutat Hühnerei-Eiweiss ist das Filet nicht frei von allen tierischen Inhaltsstoffen und deshalb «nur» für Ovo-Vegetarier und Flexitarier geeignet.🇨🇭 Made in Switzerland
Hergestellt von Planetary in Fermentern mit Rübenzucker von der Zuckerfabrik Aarberg, wo die Fermenter auch stehen, und (noch) exklusiv bei Aldi Suisse erhältlich.💪 Viel Eiweiss, wenig Fett
Mykoprotein liefert hochwertiges Protein und Ballaststoffe – mit wenig Kalorien.🌍 Gut fürs Klima
Mykoprotein verbraucht im Vergleich zu Hähnchenfleisch deutlich weniger Wasser und Fläche und verursacht deutlich weniger Treibhausgase.🍽️ Schmeckt wie Hähnchenbrust – nur pflanzlich
Mykoprotein hat einen festen Biss und eine fleischähnliche Textur – ist aber ein bisschen weniger saftig als Hähnchenbrust – und erinnert geschmacklich an echtes Poulet.
Buchtipp
«Revolution aus dem Mikrokosmos: Nachhaltige Ernährung durch Fermentation»
von Martin Reich
Taschenbuch mit 320 Seiten
Residenz Verlag, 2024
ISBN 978-3-70173-612-6