Was ist regenerative Landwirtschaft und wie hilft sie der Bodengesundheit?
Alle reden von regenerativer Landwirtschaft. Aber jeder versteht darunter etwas anderes. 1. Teil einer neuen Serie: Wieso braucht es dringend regenerative Landwirtschaft und was ist Bodengesundheit?
Im Laufe des Jahres 2025 geht «Countryside» der Bodengesundheit auf den Grund, genauer der regenerativen Landwirtschaft. Dieser Beitrag leitet eine Jahres-Serie ein, welche diese aufkommende landwirtschaftliche Praktik auch für KonsumentInnen verständlich erklärt. Eine Vorschau auf die geplanten Beiträge finden Sie am Schluss des Textes.
Regenerative Landwirtschaft ist ein Hype-Begriff wie Nachhaltigkeit oder Biodiversität. Alle reden davon. Aber kein Konsument weiss, was regenerative Landwirtschaft bedeutet. Und selbst für viele Landwirte ist regenerative Landwirtschaft ein Buch mit sieben Siegeln.
Dabei ist die regenerative Landwirtschaft ein spannendes Abenteuer, bei dem wir die Geheimnisse des Bodens erleben und entdecken können.
Kurz & bündig
Vor allem Siedlungen und Strassen zerstören Landwirtschaftsflächen
Ein Bauernhof produziert heute bis 18 Mal mehr Lebensmittel als vor 125 Jahren
Wie kann die regenerative Landwirtschaft den Boden wieder aufbauen?
Regenerative Landwirtschaft kombiniert traditionelle Landwirtschaft mit moderner Wissenschaft und Technologien
Wie entstand die regenerative Landwirtschaft?
Wie stark ist die regenerative Landwirtschaft 2025 in Deutschland, Österreich und der Schweiz verbreitet?
Siedlungen und Strassen zerstören Landwirtschaftsflächen
Der Boden ist das natürliche Kapital für unsere Landwirtschaft. Vor allem Siedlungen und Strassen zerstören dieses natürliche Kapital:
Die Schweiz verliert jährlich 3’300 Hektar Landwirtschaftsfläche. Täglich sind dies 9 Hektar oder 90’000 Quadratmeter (13 Fussballfelder).
Österreich verliert jährlich 4’200 Hektar Landwirtschaftsfläche. Täglich sind dies 11,5 Hektar oder 115’000 Quadratmeter (16 Fussballfelder).
Deutschland verliert jährlich 18’250 Hektar Landwirtschaftsfläche. Täglich sind dies 50,0 Hektar oder 500’000 Quadratmeter (70 Fussballfelder).
In der Relation zur Gesamtfläche der drei Länder ist dies etwa gleich viel. Auf jeden Fall zu viel! Und die übrig bleibende Landwirtschaftsfläche wird als Folge der intensiven Landwirtschaft durch Erosion, Bodenverdichtung und Schadstoffbelastungen irreversibel beschädigt.
Ist der Boden einmal weg, dauert es lange, bis dieser Schaden wieder behoben ist. Für die natürliche Entwicklung von 1 Zentimeter funktionsfähigen Boden braucht es 100 Jahre.
Ein Bauernhof produziert heute bis 18 Mal mehr Lebensmittel als vor 125 Jahren
Der Grund für diesen Bodenverlust ist ein rasantes Bevölkerungswachstum. Die Landwirtschaft musste sich seit dem Jahr 1900 intensivieren, um das mit einer ebenso rasanten Produktivitätssteigerung zu kompensieren:
Die Schweiz zählte im Jahr 1900 rund 3,3 Millionen Einwohner, heute 9 Millionen (+173 Prozent)
Österreich zählte im Jahr 1900 rund 6 Millionen Einwohner, heute 9,2 Millionen (+53 Prozent)
Deutschland zählte im Jahr 1900 rund 56 Millionen Einwohner, heute 84 Millionen (+50 Prozent)
Ein Bauernhof ernährte im Jahr 1900 höchstens zehn Menschen. Im Jahr 2025 sind es bis 180 Menschen, also 18 Mal mehr Menschen pro Bauernhof.
Möglich machten die rasante Produktivitätssteigerung die Mechanisierung der Landwirtschaft, mineralische Kunstdünger (Stickstoffdünger) und Pflanzenschutzmittel sowie Züchtungserfolge.
Heute wissen wir: Diese Produktivitätssteigerung hat negative Effekte auf die Gesundheit der hochgezüchteten Nutztiere und Nutzpflanzen, auf die Biodiversität (Artenvielfalt) im Ganzen und vor allem – auf die Gesundheit des Bodens.
Wie kann die regenerative Landwirtschaft den Boden wieder aufbauen?
Und hier setzt die regenerative Landwirtschaft an:
Nach einem Jahrhundert Intensivierung der Landwirtschaft genügt es nicht mehr, den verbliebenen Boden zu erhalten. Der Boden muss wieder «aufgebaut» werden.
Mit der regenerativen Landwirtschaft soll der Boden wieder die Struktur, Gesundheit und Fruchtbarkeit erhalten wie im Jahr 1900.
Die regenerative Landwirtschaft reichert den Boden wieder mit Humus an (fein zersetzte organische Substanz). Weil gesunder Boden das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid CO₂ speichert, wird damit auch der Klimawandel abgeschwächt.
Regenerative Landwirtschaft kombiniert traditionelle Landwirtschaft mit moderner Wissenschaft und Technologien
Um zu verstehen, wie die Bodengesundheit erhalten bleibt, schauen wir zurück auf die traditionelle Landwirtschaft im Jahr 1900:
Die traditionelle Landwirtschaft war auf geschlossene Kreisläufe ausgerichtet: Viehhaltung, Pflanzenbau und Bodenpflege waren eng miteinander verbunden. Nur die eigene Gülle und Mist dienten als Dünger (deshalb die Bezeichnung Hofdünger) und nichts wurde verschwendet.
Mit traditionellen Techniken wurde die Bodenfruchtbarkeit erhalten. Dazu gehören die Fruchtfolge (verschiedene Kulturen nacheinander auf demselben Feld), die Gründüngung (Pflanzenarten wie Klee, Lupinen und Senf werden nicht geerntet, sondern gemulcht oder untergepflügt) und das Einbringen organischer Materialien in den Boden.
Die Bauern bauten Mischkulturen an (mehrere Kulturen gleichzeitig auf demselben Feld) und generell eine grosse Vielfalt an Nutzpflanzen. Sie berücksichtigten die lokalen Bodentypen, das Klima und die Ökosysteme und nutzten alle Ressourcen sparsam.
Die regenerative Landwirtschaft nutzt diese traditionellen landwirtschaftlichen Praktiken wieder und kombiniert sie pragmatisch mit moderner Wissenschaft und Technologien. Sie integriert dabei Ideen aus konventioneller Landwirtschaft, Bio-Landwirtschaft, Permakultur, Agrarökologie, Agroforstwirtschaft und Renaturierungsökologie.
Wie entstand die regenerative Landwirtschaft?
In den 1980er-Jahren prägte der US-amerikanische Agrar-Pionier Robert Rodale den Begriff regenerative Landwirtschaft. Regenerative (organic) agriculture» war seine Antwort auf die schädlichen Auswirkungen der intensiven Landwirtschaft.
In den 1990er-Jahren entstanden in den USA erste Forschungsprojekte und Pilotfarmen, die regenerative Praktiken wie No-Till (Direktsaat ohne Bodenbearbeitung), Zwischenfruchtanbau und Agroforstsysteme testeten.
Anfang der 2000er-Jahre wuchs das Interesse an regenerativen Ansätzen weltweit. Der Grund dafür waren die zunehmenden Sorgen über den Klimawandel, die Bodenerosion und den Verlust von Biodiversität.
Ab 2010 stellten die ersten Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf regenerative Landwirtschaft um.
Ab 2017 integrierten weltweite Konzerne wie Danone und General Mills die regenerative Landwirtschaft in ihren Lieferketten, was die Bewegung sichtbarer machte.
2023 verpflichtete sich eine Gruppe rund um Danone, Nestlé, Pepsico und Cargill an der Uno-Klimakonferenz in Dubai, die Methoden der regenerativen Landwirtschaft bis 2030 auf 160 Millionen Hektar Land auszudehnen und dafür weitere 2,2 Milliarden Dollar zu investieren.
Mit zunehmendem wissenschaftlichen Interesse und politischen Förderprogrammen entwickelt sich die regenerative Landwirtschaft weltweit von einer Nischenbewegung zu einem global anerkannten Ansatz für eine nachhaltige und klimafreundliche Agrarproduktion.
Wie stark ist die regenerative Landwirtschaft 2025 in Deutschland, Österreich und der Schweiz verbreitet?
Aktuelle Daten über den Anteil der regenerativen Landwirtschaft an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche der deutschsprachigen Ländern gibt es nicht. Gemäss Schätzungen (!) von Branchenkennern sind es:
Schweiz: 2000 Hektar
«Einerseits hinkt die Schweizer Landwirtschaft hinterher, weil sie extrem träge ist. Der Grund dafür ist, dass sich der Staat viel zu stark in den Alltag der Bauern einmischt. Das hemmt jegliche Dynamik.», erklärt Martin Jucker diesen Rückstand. Die Jucker Farm ist mit rund 100 Hektar einer der grössten Schweizer Landwirtschaftsbetriebe, die regenerative Landwirtschaft betreiben.
«Anderseits ist die Schweizer Landwirtschaft nie so destruktiv mit ihren Böden umgegangen, wie zum Beispiel die Agrarkonzern-Farmer in den USA.» Deshalb sei der Leidensdruck hierzulande noch weniger gross.
Noch ist die Jucker Farm mit weiteren Pionieren in der Schweiz einsam auf weiter Flur. «Die regenerative Landwirtschaft gewinnt jedoch auch in der Schweiz zunehmend an Bedeutung», erklärt Martin Jucker. «Die bewirtschafteten Flächen werden in den kommenden Jahren weiter zunehmen.»
Serie: Regenerative Landwirtschaft
Was ist regenerative Landwirtschaft und wie hilft sie der Bodengesundheit?
Regenerative Landwirtschaft in 10 Punkten erklärt und ein Vergleich mit Integrierter Produktion (IP-Suisse), Bio und Demeter
Was steckt hinter dem Zertifikat «Regenerative Organic Certified»?
… bis Ende 2025 rund zwölf weitere Beiträge über verschiedene Aspekte der regenerativen Landwirtschaft.
Wäre super, wenn der Autor mit Agricultura Regeneratio sprechen würde.