Speed-Dating mit Landwirten und Küchenchefs: Die «Soil to Soul Produzenten-Arena»
Ein unkonventionelles Speed-Dating verkuppelt Produzenten und Gastgeber: Regionale Landwirte treffen auf ambitionierte Küchenchefs. Ziel ist eine direkte Lieferkette von Feld und Stall in die Küche.

Kurz & bündig
Die «Produzenten-Arena» ist eine Veranstaltungsreihe, die direkte Lieferketten zwischen regionalen Lebensmittelproduzenten und Gastronomen schafft und seit 2023 erfolgreich in der Schweiz, Österreich und Deutschland stattfindet.
Im Gegensatz zu Gastro-Messen stehen bei den Begegnungen nicht Mengenpreise, sondern Qualitätsmerkmale wie Geschmack, Terroir und Nährstoffdichte im Fokus, was den Produzenten höhere Margen ermöglicht.
Teilnehmende Produzenten und Gastronomen teilen gemeinsame Werte wie Regionalität, biologische oder regenerative Landwirtschaft und Nachhaltigkeit, was als Basis für Vertrauen und authentische kulinarische Geschichten dient.
Gegründet wurde die Veranstaltungsreihe vom Schweizer Verein Soil to Soul, dieser organisiert auch die Events in der Schweiz. Der Essensforscher Dominik Flammer trägt das Format über die Schweizer Grenzen hinaus.
Ein Speed-Dating hatte ich mir anders vorgestellt: Verlegene Singles in gedimmtem Licht, das wie Bernstein über dunkle Holztische fliesst. Zwischen Kerzen tanzt Rosmarinduft, während leise Jazzklänge die Gespräche umschmeicheln.
Stattdessen bin ich in der hellen Lounge der SHL Schweizer Hotelfachschule in Luzern. Hier stehen sich selbstbewusste GastronomInnen und Lebensmittel-ProduzentInnen gegenüber:
Die Küchenchefin Nadine Stadelmann diskutiert mit dem Detailhandelsökonomen Elmar Barmettler über kurze Transportwege.
Die Fischzüchterinnen Monika und Cornelia Duss überzeugen den Küchenchef Sebastian Rensing von der Qualität ihrer Elsässer Saiblinge.
Der Küchenchef Thomas Pollet informiert sich bei Winzerin Nora Breitschmid über ihre Piwi-Weine aus pilzwiderstandsfähigen Rebsorten.
Die «Soil to Soul Produzenten-Arena» macht alles etwas anders
Ich bin nicht in eine romantische Partnersuche geraten, sondern als Agrarjournalist bei der «Soil to Soul Produzenten-Arena». Hier werden die Fäden geknüpft zwischen denen, die unser Essen anbauen, und denen, die es zubereiten. Ein Speed-Dating der anderen Art.
Das Format der «Soil to Soul Produzenten-Arena» unterscheidet sich von klassischen Gastro-Messen. Hier hängen keine aufdringlichen Sponsoren-Banner und die Teilnehmerzahl wurde bewusst begrenzt.
Die 60 TeilnehmerInnen begrüssen sich mit währschaftem Handschlag. Ihre Hände sind je nach Beruf rissig (ProduzentInnen) oder sehr gepflegt, die Fingernägel mit einem peniblen Kurzschnitt (GastgeberInnen).
Auch die Organisation ist handfest: Wenn der Moderator sieht, dass Partner nicht zusammenpassen, dirigiert er sie freundlich aber bestimmt zum nächsten Kandidaten. Widerrede zwecklos.
Moderator Dominik Flammer ist Essensforscher und Buchautor. Der Schweizer setzt sich seit drei Jahrzehnten für die Wiederentdeckung traditioneller Lebensmittel und regionaler Spezialitäten aus dem gesamten Alpenraum ein. Seine Bücher und Filme wurden international ausgezeichnet.

Die «Soil to Soul Produzenten-Arena» bringt Landwirte und Gastronomen zusammen
Die erste «Soil to Soul Produzenten-Arena» fand im September 2023 in Zürich statt. Sie brachte Landwirte und Lebensmittel-Produzenten mit Gastronomen und anderen Akteuren der Wertschöpfungskette zusammen.
Organisiert wurde sie vom Verein Soil to Soul (sinngemäss: aus einem gesunden Boden für eine gesunde Ernährung). Dieser setzt sich mit einem holistischen Ansatz für die regenerative Landwirtschaft und damit für eine nährstoffreiche, genussvolle Ernährung ein.
Die Zürcher Premiere war mit 120 BesucherInnen ein grosser Erfolg. Seither findet die Veranstaltungsreihe abwechslungsweise in den Schweizer Städten Luzern, Zürich und Bern statt. Die nächsten «Soil to Soul Produzenten-Arenen» finden am 22. September 2025 in Biel und am 30. Oktober 2025 in Zürich statt.
Dominik Flammer seinerseits will das Format über die Sprachgrenzen in die französisch- und italienischsprachige Schweiz tragen, nachdem er schon «Produzenten-Arenen» im Südtirol, in Oberösterreich, im Fürstentum Liechtenstein und in Baden-Württemberg organisiert hat.

Wer sind die Produzenten und die Gastgeber der «Soil to Soul Produzenten-Arena»?
Zurück in die Lounge der Schweizer Hotelfachschule in Luzern. Vor dem Speed-Dating holte Dominik Flammer je drei ProduzentInnen und drei GastgeberInnen für spontane Gespräche auf die Bühne:
Die ProduzentInnen sind Winzerin Nora Breitschmid, Metzger Martin Schmitz und Käsespezialist Axel Dippold.
Die GastgeberInnen sind Chefköche aus der Region Luzern: Nadine Stadelmann von der «Villa Honegg», Sebastian Rensing vom «Ox’n» und Thomas Pollet von der «Magdi Beiz».
Sie alle teilen die Leidenschaft für traditionelle Lebensmittel und Spezialitäten aus ihrer Region. Heute aus der Zentralschweiz zwischen Luzern und dem Gotthard.

Produzenten und Gastgeber sprechen dieselbe Sprache
Bei der «Soil to Soul Produzenten-Arena» engagieren sich Profis, die Lebensmittel nachhaltig produzieren oder verarbeiten. Das Setting filtert all jene heraus, deren Geschäft nur auf intensiver Hochleistung basiert.
Von Wertschöpfung erzählen
«Im Unterschied zur Produktion für die Detailhandels-Konzerne reden wir hier nicht über Tonnen-Preise, sondern über Geschmack, Terroir und Nährstoffdichte», lobt ein Produzent die Gastgeber.
«Mit Gastronomen als Abnehmer erzielen wir höhere Margen, weil sie Qualität bezahlen statt Menge».
«Für uns Produzenten sind Regionalität, Biodiversität, Kreislaufwirtschaft und klimapositive Landwirtschaft gelebter Alltag. Wir sprechen dieselbe Sprache wie die Gastgeber.»
Vertrauen teilen
Die Küchenchefs wiederum wollen wissen, wer ihr Essen erzeugt hat und wie es produziert wurde. «Die Produzenten können diese Geschichte ohne Ausflüchte erzählen, deshalb haben sie einen Vertrauensvorsprung.»
«Für die Produzenten ist biologische oder regenerative Landwirtschaft kein Marketing-Label, sondern ein ethisches Mindestmass – wie in unserer Gastronomie. Wer konventionell produziert, fühlt sich in dieser Runde eher als Exot.»

Woher kommen die regionalen Lebensmittel aus dem Alpenraum?
«Wenn Gastgeber in ihren Restaurants mit regionalen, nachhaltigen und biologischen Produkten arbeiten, entstehen einzigartige Gerichte, die eine Geschichte erzählen», ist Flammer überzeugt.
Wobei Flammer nicht dogmatisch ist: «Man muss nicht soweit gehen wie skandinavische Spitzenköche, die überspitzt formuliert alle Zutaten im Umkreis von 100 Metern um das Restaurant suchen.»
«Für internationale Gäste aus den USA und Asien – aber auch für viele Europäer – ist der Alpenraum eine relativ kleine Region. Da ist auch ein Südtiroler Schinken in einem Schweizer Restaurant regional.»
Ein kerniger Handschlag besiegelt neue regionale Partnerschaften
Für die ProduzentInnen und GastgeberInnen endet die «Soil to Soul Produzenten-Arena» wie sie begonnen hat: Mit einem kernigen Handschlag, der jetzt aber neue Partnerschaften besiegelt.
Für die ProduzentInnen ist es der Beginn neuer Lieferwege, die im wahrsten Sinne des Wortes nahe liegen. Für die GastgeberInnen der Anfang einer regionalen Geschichte, die morgen auf ihrer Speisekarte steht.
Weil ich Verwandtschaft i da Schwiiz ha, dachte ich bislang, ich kennte alle Spezialausdrücke. Aber währschaft war mir unbekannt. (Vielleicht schreibst Du in Klammern noch die hochdeutsche Bezeichnung dazu?)