Die erste Definition der regenerativen Landwirtschaft kommt aus Kalifornien
Als weltweit erste Behörde gibt das Landwirtschaftsministerium von Kalifornien eine offizielle Definition der regenerativen Landwirtschaft bekannt. Wird diese Definition von den Europäern übernommen?

Kurz & bündig
Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger leistete Vorarbeit für eine Förderung der nachhaltigen Landwirtschaft in Kalifornien
Nach Anhörungen u.a. mit Farmern und indigenen Völkern entstand die kalifornische Definition der regenerativen Landwirtschaft
So definiert das kalifornische Landwirtschaftsministerium die regenerative Landwirtschaft
Mehrere Koalitionen von von multinationalen Konzernen haben ihre eigenen Definitionen
Für die regenerative Landwirtschaft gibt es bis jetzt keine offizielle Definition von Wissenschaft, Regierungsbehörden oder der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO.
Der Begriff regenerative Landwirtschaft ist für Interpretationen weit offen – und damit auch für Greenwashing, bei dem sich Unternehmen mit mehr oder weniger echten Bemühungen für die regenerative Landwirtschaft ein besseres Image geben. Das will die Regierung des US-Bundesstaates Kalifornien verhindern.
Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger leistete Vorarbeit für eine nachhaltige Landwirtschaft in Kalifornien
Kalifornien ist eine der produktivsten Agrar-Regionen der USA, insbesondere für die Milchproduktion sowie für Obst- und Gemüseanbau. Deshalb wird es auch «The Land of Milk and Honey» genannt.
Die Produktionsbedingungen der kalifornischen Intensiv-Landwirtschaft sind aber oft bedenklich. So werden jedes Jahr die Hälfte aller kommerziellen Bienenstöcke der USA (über 2 Millionen Bienenvölker) nach Kalifornien gebracht, um die Mandelblüte zu bestäuben. Und der Wasserverbrauch ist exorbitant.
Um das zu ändern, lenkt die kalifornische Politik «ihre» Landwirtschaft und Gesellschaft seit den 1960er-Jahren in eine ökologische Richtung. Eine entscheidende Rolle spielte dabei Arnold Schwarzenegger. Als Gouverneur unterzeichnete er unter anderem 2006 das erste US-Gesetz mit verbindlichen Treibhausgas-Reduktionszielen (AB 32) und engagierte sich für eine nachhaltige Landwirtschaft.
Nach Anhörungen u.a. mit Farmern und indigenen Völkern entstand die kalifornische Definition der regenerativen Landwirtschaft
Im Oktober 2022 leitete das kalifornische Landwirtschaftsministerium (California Department of Food and Agriculture CDFA) ein Verfahren zur Definition der regenerativen Landwirtschaft ein. Eine 14-köpfige Arbeitsgruppe schuf zuerst die Grundlagen für öffentliche Anhörungen.

Mehrere dieser öffentlichen Anhörungen waren für die indigenen Völker reserviert. Kalifornien hat über 100 indigene Stämme, mehr als jeder andere US-Bundesstaat. Deren Landwirtschaft ist seit jeher ausgerichtet auf ökologische Balance, Ressourcenschonung, natürliche Kreisläufe und langfristige Bodenfruchtbarkeit.
Ähnlich wie in der regenerativen Landwirtschaft (oder umgekehrt) arbeiten die indigenen Völker mit Mischkulturen. Mit der «Three Sisters»-Methode bauen sie seit dem 14. Jahrhundert nebeneinander Bohnen, Mais und Kürbis an, die sich gegenseitig ergänzen (mehr Infos dazu in der Besprechung vom «The Three Sisters Panorama»).
Neben Farmern und indigenen Völkern nahmen Hunderte von kalifornischen Bürgern an den Anhörungen teil. Darunter bekannte Protagonisten wie Annie Brown vom Rodale Institute, das zu den Pionieren der regenerativen Landwirtschaft gehört (siehe meine Recherche «Was ist regenerative Landwirtschaft und wie hilft sie der Bodengesundheit?»)
Auf der Basis der öffentlichen Anhörungen schrieb die Arbeitsgruppe eine «Definition der regenerativen Landwirtschaft», welche das California State Board of Food & Agriculture am 7. Januar 2025 einstimmig genehmigte.
Diese Schnittstelle zwischen Regierung, Landwirtschaft und der Gesellschaft hat das Dokument nun der kalifornischen Landwirtschaftsministerin Karen Ross zur Unterzeichnung übergeben.

So definiert das kalifornische Landwirtschaftsministerium die regenerative Landwirtschaft
Das genehmigte Dokument mit dem Titel «Defining Regenerative Agriculture for State Policies and Programs» umfasst eine Seite (Übersetzung aus dem englischen Originaldokument).
Regenerative Landwirtschaft ist ein integrierter Ansatz für die Landwirtschaft und Viehzucht, der auf den Grundsätzen der Bodengesundheit, der Biodiversität und der Widerstandsfähigkeit des Ökosystems beruht und zu verbesserten, gezielten Ergebnissen führt.
Regenerative Landwirtschaft ist kein Endpunkt, sondern eine kontinuierliche Umsetzung von Praktiken, die im Laufe der Zeit den Einsatz von Ressourcen und die Umweltauswirkungen minimieren und das Ökosystem weiter verbessern, während die Produktivität, der wirtschaftliche Beitrag und der Nutzen für die Gemeinschaft erhalten bleiben oder verbessert werden.
Regenerative Landwirtschaft ist ein ständiges Nachhaltigkeits-Kontinuum für die Landwirte und Viehzüchter in Kalifornien, das sich auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse sowie auf die Traditionen und Innovationen der indigenen Völker stützt.
Beispiele für angestrebte Ergebnisse sind:
Der Aufbau von Bodengesundheit, organischer Bodensubstanz und Biodiversität. (Programm für gesunde Böden), (AB 1757)
Die verstärkte landesweite Umsetzung von Naturschutzpraktiken, welche die Bodengesundheit verbessern, Kohlenstoff binden und Treibhausgase reduzieren. (USDA NRCS Conservation Practice Standards)
Die Förderung eines nachhaltigen und integrierten Schädlingsmanagements, um die Abhängigkeit von Pflanzenschutzmitteln zu verringern. (Accelerating Sustainable Pest Management: A Roadmap for California), (UC Statewide Integrated Pest Management), (USDA NRCS Schädlingsbekämpfungssystem)
Der Schutz des Tierwohls von Nutztieren in der Landwirtschaft. (Tierschutzprogramm)
Der Aufbau gesunder, lokaler Gemeinschaften. (Ag Vision)
Der Schutz spiritueller und kultureller Traditionen sowie die Unterstützung landwirtschaftlicher Praktiken der indigenen Völker Kaliforniens.
Die Minimierung negativer Auswirkungen auf andere Ziele.
Die Aufrechterhaltung positiver Auswirkungen auf die wirtschaftliche Vitalität sowie den Lebensunterhalt von Landwirten und Viehzüchtern.
Die regenerative Landwirtschaft erfordert, dass Prozesse, Praktiken, Überwachung, Bewertung und Innovation an spezifische Produktionssysteme, Ökoregionen und lokale indigene Kulturräume angepasst werden.
Die Auswahl der landwirtschaftlichen Praktiken basiert auf den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen und Verfahren. Dazu gehören auch – aber nicht ausschliesslich – biologisches und traditionelles ökologisches Wissen.

Mehrere Koalitionen von multinationalen Konzernen haben ihre eigenen Definitionen
Verschiedene Koalitionen von von multinationalen Konsumgüter-, Lebensmittel- und Getränke-Konzernen haben schon früher ihre Definitionen der regenerativen Landwirtschaft veröffentlicht. Diese Koalitionen vertreten aber ganz klar die Interessen ihrer Mitglieder:
SAI Platform
Die Sustainable Agriculture Initiative Platform SAI ist eine globale Interessenorganisation von multinationalen Lebensmittel- und Getränke-Konzernen, die sich für nachhaltige Lebensmittelsysteme einsetzen. Dazu gehören Bayer, Coca-Cola und Pepsico, Ferrero, KraftHeinz, McDonalds, Starbucks, Südzucker und Tönnies.
OP2B
One Planet Business for Biodiversity OP2B ist eine internationale, branchenübergreifende Unternehmenskoalition mit Fokus auf Biodiversität und Landwirtschaft, bestehend aus multinationalen Konsumgüter- und Lebensmittel-Konzernen. Dazu gehören Barry Callebaut, Danone, Firmenich, Kering, L'Oréal, Mars, Nestlé, Symrise und Unilever.
ROC
Das Regenerative Organic Certified-Programm ROC ist ein Zertifizierungsprogramm, hinter dem Organisationen und Unternehmen stehen wie Patagonia (Outdoor-Bekleidung) und Dr. Bronner's (Naturkosmetik). Das Rodale Institute ist grundsätzlich unabhängig – hat aber alleine 2022 rund 25 Millionen US-Dollar vom US-Landwirtschaftsministerium USDA erhalten.
Serie: Regenerative Landwirtschaft
Was ist regenerative Landwirtschaft und wie hilft sie der Bodengesundheit?
Streit um die biologische, regionale und regenerative Landwirtschaft
Die erste Definition der regenerativen Landwirtschaft kommt aus Kalifornien
… bis Ende 2025 folgen weitere Beiträge über verschiedene Aspekte der regenerativen Landwirtschaft.
Herzlichen Dank für den Beitrag, auch in Europa gibt es heute schon Einordnungen und Definitionen verschieder Akteure. Hier ist ein Beispiel: https://www.dlg.org/mediacenter/dlg-merkblaetter/dlg-kompakt-02-2024-regenerative-landwirtschaft-eine-einordnung